Herr Bovenschulte, wir müssen reden!

In der Waller Weihnachtstüte fand sich überraschend am 12.12.2024 die Oberschule Überseestadt, die ihren zukünftigen Standort geändert hat und mit 6-Zügigkeit 50% größer ausfällt als ursprünglich geplant.

Es scheint ein wenig bedenklich, wenn „überrascht“ eine häufige Beschreibung der Reaktion von Beirat und Bevölkerung zu Planungsenthüllungen in den jeweiligen Stadtteilen ist. Im Beirat Walle war man überrascht über die Planung des Schulstandorts auf der Überseeinsel, überrascht vom den Umzug der Helmut-Schmidt-Schule in die Konsul-Smidt-Straße und nun überrascht über den neuen Standort der Oberschule. Das liegt übrigens nicht daran, dass der Beirat und die Mitglieder der Fachausschüsse nicht nachfragen. Von der Bevölkerung sprechen wir hier erst gar nicht.

Bei der Nachfrage, wer über den neuen Standort schlussendlich entschieden hat, wurde gesagt: „Herr Bovenschulte hat das entschieden.“

Es gibt Fragen über Fragen. 

Fragen zur Planung 

Bremen braucht Schulen, klar. Bremen hat kein unendliches Budget, klar. Und dringend ist es auch alles.

Zum konkreten Beispiel der Oberschule Überseestadt. Die ursprüngliche Planung auf der Überseeinsel 2019 wurde begrüßt, hier sollte jetzt ein Ortsteil entstehen, wo wirklich an alles gedacht wurde, Nahversorger, medizinische Zentren, Schulen und natürlich auch ausreichend Grün. Wenn man sich das avisierte Grundstück betrachtet, dann sieht man, dass es doch recht schmal ist, aber das kann man baulich sicher regeln. Wurde dann auch in den Besprechungen, von einer Schule war die Rede, wo die Turnhalle auf das Gebäude gestapelt wird, sensationell! 

In der Zwischenzeit wurden Kinder seit 2020 in die Grundschule im Bestandsgebäude eingeschult, mit dem Versprechen, dass die Schule mitwächst (immer verbunden mit einer typischen Handbewegung) und dass bei Verlassen der Grundschule direkt in die Oberschule am selben Standort gegangen werden könne. 

Angesichts der Bautätigkeiten auf dem Gelände konnte man schon länger meinen, dass es doch recht knapp werden würde, denn es waren noch nicht einmal die Schienenstränge entfernt (obwohl schon 2023 Kostenvoranschläge für ebendieses vorlagen). Der Grundschule wurden ein paar Außenbereiche zugeschlagen und die Eltern warfen immer wieder sorgenvolle Blicke auf die Spedition und ihre Lastwagen, die auf dem Weg zum Be- und Entladen das Schulgrundstück wie Satelliten umkreisten. Auf den Fluren wurde mit einem Augenzwinkern gesagt: „Ja ja, wir sehen uns dann auf der Oberschule.“

Noch im Juni 2024 wurde der Bildungscampus auf der Überseeinsel präsentiert, obwohl schon im April Zweifel über die Standortwahl aufkamen. Man präsentierte, was man so auf dem Bildungscampus vorhatte – eine Schule mit einer Dreifeldturnhalle obendrauf, eine neu zu bauende Kita, und den weiteren Betrieb der Grundschule im K-Building (was für ein moderner Begriff). Da schwante wohl einigen Beteiligten, dass es sich hier um ein größeres Luftschloss handelte, welches auch nicht gerade ein Schnäppchen sein würde. Und die Planung war jetzt auch mal überrascht – die Bedarfe der Erschließungsstraßen für das Quartier Überseeinsel waren größer als erwartet und damit die Baufläche des Campus noch kleiner als gedacht. 

Nun gut, dann schaut man mal wo sonst was vorhanden sind, das man stattdessen nutzen kann. Neun Standorte wurden von einer Arbeitsgruppe geprüft und nach festgelegten Gesichtspunkten bewertet und am Ende purzelten aus dem Sack genau zwei Grundstücke – die Brachfläche am Waller Wied (das „Heimatgrün“ wie es im Stadtteil genannt wird) und die Brachfläche an der Konsul-Smidt-Straße (die „Überseewiese“). Dass mit diesen beiden Flächen die Begriffe „grün“ und „Wiese“ assoziiert werden ließ wohl nicht darauf schließen, dass sie einen weiteren Wert haben und nicht nur potenzielle Baugrundstücke sind. 

ZEIT und KOSTEN sind die wichtigsten Planungsparameter (groß geschrieben seit November 2024), die Beurteilungsfaktoren städtebauliche Aussage, Quartiersbezug, Behaglichkeit, urbanes Umfeld, Wertigkeit im Flächenverbrauch waren wohl dann doch nicht so wichtig. Ach ja, Klima. Da reden wir erst gar nicht von.

Die Überseewiese wurde schnell ausgeschlossen, Grundstück zu klein, man kann ja nicht stapeln (hier nicht), andere Schulen sind zu weit entfernt (die 250 m zur Helmut-Schmidt-Schule offenbar unüberwindbar). Außerdem gab es ja einen politischen Beschluss zum Erhalt der Fläche.

Dann das Heimatgrün. Ja, da gibt es doch alles! Schulen in der Nachbarschaft, ÖPNV, die Gebäude liefern Lärmschutz für die gebeutelten Bewohner des Heimatviertels (obwohl schon ausreichend vorhanden), und obendrein kann man dann den Vollknoten Überseetor endlich ausbauen! Außerdem ist die Fläche so groß, dass jetzt sogar 6-zügig gebaut werden kann! Großartig, der Standort ist sehr gut geeignet!

Am 03.12.2024 wurde dann festgenagelt, dass es der Standort neben dem Waller Wied sein soll. Fünf Jahre wurde vorher am Schulcampus Überseeinsel gefeilt und nun in einem Handstreich innerhalb weniger Wochen der Standort Oberschule Überseestadt auf die letzte wilde Grünfläche verlegt, wo – puh – gerade noch der große Zeh in die Überseestadt ragt. 

Schnell ein paar Rechtecke mit maximaler Flächenausdehnung eingezeichnet, Kringel für den ÖPNV – voilà! Was kann man daran nicht gut finden? Nicht gut finden kann man, dass nicht nur einer sondern gleich zwei Beiratsbeschlüsse des Beirats Walle hier ignoriert werden. 

Am 12.12.2024 wurden ohne Vorwarnung die Planungen dem Beirat präsentiert, damit die Deputation für Kinder und Bildung beruhigt am 17.12.2024 die Planungsmittel bewilligen konnte. Ja, ist denn heute schon Weihnachten?!

Der Beschluss zum Überseetor

Der Vollanschluss des Überseetors ist ein großes Thema in Walle. Der Beirat hat sich bereits 2017 dagegen ausgesprochen, die Bürgerinitiative Waller Ring, welche für die Entlastung des Waller Rings kämpft, wehrt sich dagegen und für das Heimatviertel gibt es seit 2001 einen Senatsbeschluss, welcher das Überseetor „befriedet“. 

Heute sind Fahrzeuge von mehr als 7,5 t nicht erlaubt, der Lieferverkehr des Großmarkts soll über Hansator und Emder Straße erfolgen und die Straße soll einen Stadtstraßencharakter analog Waller Ring erhalten (welcher eine doppelte Allee ist). 

Der Gedanke des Vollanschlusses kommt aus dem Integrierten Verkehrskonzept zur Entlastung der Überseestadt, welches so integriert war, dass man den Schienenverkehr, der aus dem Hafen kommt, prompt nicht mitbetrachtet hat (was sagt eigentlich die Initiative Stadtbremische Häfen dazu?). 

Insgesamt eine schwierige Stelle – ganz zu schweigen davon, dass ein Umbau der Nordstraße an dieser Stelle mit Verschwenk von Schienen und weiterem sicherlich auch kein Schnäppchen ist (ganz abgesehen davon, dass niemals nachuntersucht wurde, ob diese Maßnahme überhaupt noch sinnvoll ist, Zahlen der Verkehrszählung 2020 sind bis heute nicht erhältlich). Übrigens wurde eine sichere Querung der Nordstraße in Form einer Fußgängerampel im Bereich Bogenstraße/Columbusstraße abgelehnt, weil diese den Verkehrsfluss entlang der Nordstraße stören würde. Dann doch lieber einen Vollknoten mit allen Verkehrsbeziehungen, oder?

Der Beschluss zum Heimatgrün

Zum Heimatgrün gibt es einen einstimmigen Beschluss, der vom Beirat im Januar 2020 unter Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative Heimatviertel erarbeitet wurde. Es wird eine Umsetzung der seit Jahren versprochenen Grünverbindung zwischen Walle Center und Weser in diesem Abschnitt, sowie eine sichere Querung der Nordstraße und die Umwandlung der Fläche in eine Grünfläche im Flächennutzungsplan gefordert. 

Das Begehren wurde mehrfach vorgestellt und das Gebiet von der Stadtplanung mit Beirat und Bürgern begangen. Sogar die Präsentation der Fläche als heißer Kandidat enthielt die Information, dass sich hier Bürger engagieren. Aussagen, in denen man sich zu den Beschlüssen festlegen wollte, gab es jedoch nicht.

Und sonst noch?

Man ist sich nicht so richtig klar, wie Eltern diesen Standort zwischen der am stärksten befahrenen Stadtstraße mit 25.000 Kfz und Lkw-Verkehr ohne sicheren Übergang, veralteten Straßenbahnhaltestellen und einem prospektivem Vollausbau des Überseetors finden.

Laut der Planungshinweiskarte aus der Klimaanalyse 2024 für Bremen ist der Standort von dunkelroten Flächen umrahmt, welche für einen Schulstandort nicht empfohlen werden. Das Heimatgrün ist zwar als „wenig wärmebelastet“ und als „klimatischer Erhaltungsbereich“ eingezeichnet, das wird sich aber bei Bebauung und damit einhergehender Versiegelung direkt ändern und in „klimatischen Sanierungsbereich“ umwandeln, wenn nicht weitreichende Baumaßnahmen ergriffen werden und somit keine klimatechnische Verschlechterung eintritt. 

All diese Reibungspunkte wurden ignoriert und niemand wurde in den Prozess eingebunden, der zur Entscheidung zu dieser Fläche führte, nicht einmal die Beiratsmitglieder, welche für den Schulcampus Überseeinsel einbezogen werden sollten. Stattdessen wurde der Prozess in einer Senatskommission eingetütet. 

Es ist unverständlich, wie die Expertise und das Engagement lokaler Gremien wie Beirat und Bürgerinitiativen einfach ignoriert und die Chance weggeworfen wird diese zu nutzen und so zu nachhaltigen und akzeptierten Lösungen zu kommen, welche dann auch schnell umgesetzt werden können. Niemand verlangt, dass jeder alles wissen muss, aber man lehrt schon die Kinder, dass wenn man etwas nicht weiß, dann kann man danach fragen. Dies ist besonders wichtig, damit lokale Interessen und Widerstände von vorneherein berücksichtigt und Konflikte vermieden werden, welche zu Frustration auf allen Seiten führen.

Trotz allem: 

Man gibt sich alle Mühe den Planungen konstruktiv zu begegnen und bei der vom Beirat geforderten Informationsveranstaltung der Bewohner des Heimatviertels präsentierten diese nicht nur die oben aufgeführten Knackpunkte sondern auch einen Alternativvorschlag, mit dem sich jeder, der dort wohnt, abfinden könnte. Der Beirat war sofort begeistert von dem Vorschlag.  

Die anwesenden Personen von Bildung, Immobilien Bremen, WFB und SBMS machten sich fleißig Notizen, aber wenn man bedenkt, wie der Mitnahmeprozess von Beirat und Bevölkerung zuvor – hier und in anderen Projekten – lief, haben nicht wenige Beteiligte einen Knoten im Magen vor Sorge.
 

Daher der Appell – wir müssen reden.

 

Bremen, im Januar 2025 

Bürgerinitiative Heimatviertel 

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.